Wednesday, March 5, 2008

Doris Lessing, Die Kluft

Dieses Buch habe ich Anfang Februar gelesen. Keine ganz leichte, aber sehr interessante Lektüre.

Die Idee zu dem Roman entstand nachdem Frau Lessing einen Artikel gelesen hatte demzufolge es wahrscheinlich ist, dass zunächst nur weibliche Wesen existierten und Männer erst später entstanden. Hier ein Zitat aus dem Vorwort: " ... ich hatte mich ohnehin gefragt, ob die Männer nicht eine jüngere Art darstellen, eine untergeordnete Abweichung. Ihnen fehlt die Stabilität der Frauen, die offenbar von Natur aus mit dem Lauf der Welt in Einklang stehen. Ich glaube, dem würden die meisten Menschen zustimmen, auch wenn es sich kaum genauer definieren lässt. Männer sind vergleichsweise labil und unberechenbar. Probiert die Natur hier etwas aus?"

Als Erzählfigur hat sie einen römischen Historiker gewählt, der einen Schöpfungsbericht verfasst und gelegentlich aus seinem eigenen Leben erzählt. Thematisch geht es dabei um die Unterschiede zwischen Mann und Frau und wie sie sich immer schon manifestiert haben. Um die Veränderung einer Gesellschaft, die zunächst monogeschlechtlich ist hin zu einer zweigeschlechtlichen Gesellschaft, was nicht ganz reibungslos ablief. Um die Faszination zwischen Mann und Frau und ihre Konflikte. Diese Konflikte sind nicht neu, jede der beiden Gruppen fühlt sich mißverstanden und überlegen. Im letzten Teil des Romans scheinen die Frauen den Männern überlegen zu sein, da die Eroberungsfahrt genau den Ausgang nimmt, den die Frauen vorhergesagt haben, andererseits aber bringt sie auch den Wissenszuwachs, den die Männer sich erhofft hatten. Das Leben in der zweigeschlechtlichen Gesellschaft ist konfliktreicher, aber auch abenteuerreicher und interessanter, als das träge Leben, der weiblichen Wesen, das am Anfang des Berichtes steht. Die Schlußszene scheint mir ein gegenseitiges sich dem anderen ergeben, ein gegenseitiges Offenbaren der eigenen Schwächen.

Der Roman ist von vielen zerrissen worden und sowohl als antifeministisch, als auch als männerfeindlich interpretiert worden. Mir scheint aber, dass der Roman gerade mit dem Überlegenheitsgefühl beider Geschlechter, der daraus resultierenden subjektiven Historiographie spielt und der Schluß sowohl eine Überlegenheit der Frau, als auch eine Überlegenheit des Mannes in Frage stellt. Vielmehr müssen beide anerkennen, dass sie voneinander abhängen.

Und hier noch ein Zitat aus einer Rezension von Johannes Kaiser:

"Doris Lessing zeichnet hier ein stark eindimensionales Bild der typischen Geschlechtereigenschaften. Auch wenn sie ihre Befunde in den Stil alter Mythen kleidet, klingen sie doch arg klischeehaft. Es ist nicht die einzige Schwäche des Buches. Da die Erzählung aus grauer Vorzeit nur gesichtslose Gemeinschaftswesen kennt, keine Individuen, nimmt sie dem Leser jegliche Möglichkeit, sich mit irgendeiner Figur zu identifizieren, mitzufühlen, eine charakterliche Entwicklung nachzuvollziehen. Alles bleibt unpersönlich, distanziert, emotionslos. Die Handlung nimmt einen nie wirklich gefangen.

Doris Lessings Roman ist eine Art Denkspiel. Wie könnte es zu den Grundmustern männlichen und weiblichen Handelns und Denkens gekommen sein, die bis heute bestehen? Ihre Antworten sind ungewöhnlich, sperrig, provozierend, politisch unkorrekt, denn weder Männer noch Frauen kommen gut dabei weg. Doris Lessing ist es gelungen, wieder ein verstörendes Buch zu schreiben. Von Altersmilde keine Spur."

Und ein zweites von David Signer:

"Doris Lessing als Pionierin der Frauenbewegung? Das feministische Männer-Bashing geht ihr auf die Nerven, und ihr neustes Buch ist ein Loblied auf männliche Unberechenbarkeit."

Offenbar möchte Lessing mit ihrem Buch suggerieren, dass «Kultur» mit Ungleichgewicht, Differenzen und Störungen zu tun hat und dass ohne Männer oder zumindest ohne Geschlechterdifferenz die Evolution nicht in Gang gekommen wäre, was ja biologisch auch so ist. Man kann ihr Buch als Lobpreisung auf das weibliche Paradies verstehen, aber ebenso gut als Hymne auf Mut und Einfallsreichtum, auf Unberechenbarkeit, Instabilität, Exzentrizität und Verrücktheit der Männer. Das wäre dann allerdings selbst reichlich mutig von Lessing in der heutigen Zeit. Vielleicht ist die 87-Jährige doch nicht so passé. "

Doris Lessing, The Cleft

I read this book about a month ago and found it a very interesting read.

Doris Lessing states in her foreword that she had the idea to the novel when she read a scientific article stating that the basic and primal human stock was probably female. This coincided with her feelings that men might perhaps be 'a younger type, a junior variation. They seem to lack the solidity of women, who seem to be endowed with a natural harmony with the ways of the world ... men in comparison are unstable, erratic. Is Nature trying something out?'

Her narrator is a Roman historian who tries to write a history of the beginnings of men based on what originally was passed on orally. This, his sources are fragmentary. In between, he talks about his own life.

The central theme is the difference of man and woman and how they originated and have always been what they still are. The development of a monosexual to a bisexual society wasn't a smooth one, thinks Lessing. The occuring conflicts aren't new ones, both sexes see themselves as superior to the other. For the major part of the novel a female supremacy seems to be undeniable, however, at the end both sexes have manifested their strength and their weeknesses. Both seem to accept - reluctantly - that they need each other. A male-female society has more potential for conflict, but it is also more adventurous and more interesting than the female society at the beginning. What is more, while in the mono-female society, its members were organised by their function for the society (fishing etc.), in the male-female society an individualization sets in. The new society is less harmonious and more distinctive.

The ending seems to question both a female and a male supremacy.

The novel has been both critized for anti-feminism and a manifestation of female supremacy. It is a controversial novel, because it portrys both strength and weeknesses of both sexes and very much portrays all prejudices the sexes have.

And here is a link to a review and another one in English.